Blödes Blogbuch,
neulich war ich einkaufen, in der Großstadt, so wie jeden Tag, außer Sonntag. Außer verkaufsoffen. So wie ich auch jeden Tag nichts anderes tue, außer am Tag der Arbeit, da kann ich ausschlafen, so wie fast jeden Tag, außer Montag, da ist Klotag, da schließ ich mich ein und weine, weil‘ s mir echt beschissen geht.
<< Eine Hommage an Manfred >>
Klotag und Einkauf, da fällt mir doch glatt ein Zitat von Miss Gabbat ein:
Alles kacke oder teuer! Oder Beides.
Ein heimtückischer Anschlag wurde auf mich verübt, während des Einkaufs. Auf den Außenseiter mit Durchblick, Reiner. Ich wurde angefahren, von einem rasenden Einkaufswagen. Am Steuer, eine rüstige Rentnerin, wahrscheinlich ohne gültige Fahrerlaubnis. Ich wäre fast meinen Verletzungen erlegen, zum Glück hatte ich eine dicke Jacke an, die den Aufprall vollständig abfedern konnte. Als ich all meine Wunden geleckt hatte, war sie auch schon verschwunden. In den wirren Gängen des Supermarkts, Fahrerflucht.
Fing doch tatsächlich einer dieser rüstigen Rentner, in sich hineingrinsend, ein Gepräch mit mir an: „Ick bin der Dieter, früher war ick och son Alternativer, Hippie ham wa jesacht… Jetze bin ick Rentner, wer hätte ditt jedacht?“ Abfällig schaute ich den Grinser an (später mehr zu der Grinser– Spezies) und erwiderte trocken:
Alternativ zu was denn? Klopsgesicht. Entweder du bist drin oder draußen. Punkt. Die Gesellschaft ist ein räudiges Biest, was sich nicht an deine Verdienste zurückerinnert. Funktionierst du nicht, aus welchen Gründen auch immer, hast du auch keinen Nutzen für die Gesellschaft und bist nicht von Wert. So wirst du dann auch behandelt, wie Ballast, den man am besten vor seiner erfolgreichen Bekanntschaft versteckt. Das ist nicht alternativ, spekulativ, konstruktiv oder sonst was. Das ist real und daran ändert sich auch in nächster Zeit nichts. Ich bin Reiner Au- ßen- sei- ter!
Offensichtlich vollkommen perplex, ist der rüstige Dieter dann zu seinesgleichen gedackelt, um sich mit ihnen zu beratschlagen. Ich musste ihm noch folgendes hinterherkrakeelen:
Auf der dunklen Seite des Mondes, Klopsgesicht. Auf der dunklen!
Die bösen Blicke der grauen Alten trafen mich unvorbereitet. Eiskalt lief es mir den Rücken herunter.
Darum muss ich vorsichtig sein und werde mich mal eben unkenntlich machen, mich vermummen, in aller Öffentlichkeit. << switch >> Diese rüstigen Geschöpfe sind nun hinter mir her, da ich ihnen anscheinend auf die Schliche gekommen bin.
Hoffentlich verreck‘ ich nicht, hoffentlich, ich Bleichgesicht.
Verfolgungsängste plagen mich, seit diesem Einkauf, als es mir wie Schuppen von den Augen fiel:
Warum haben es rüstige Rentner, diese grauen Alten, immer so eilig?
Sie drängeln alles nieder, egal ob mit oder ohne Einkaufswagen, oftmals auch mit stählernden Gehilfen im schlepptau, ihren Gehhilfen. Immer schauen sie grimmig drein und geben laute und plumpe Kommentare von sich. Zu Allem und Jedem, immer negativ und naiv. Immer zum Fremdschämen. Kommen sie an etwas im Supermarkt nicht heran, muss man ihnen ganz schnell helfen, sonst werden sie unruhig und zappelig.
Duldsamkeit ist ihnen kein Begriff, schließlich mussten sie ihr ganzes Leben nur Verzichten. Auf alles. Ein kurzes Freundlichsein zum Schein, schaffen sie auf Knopfdruck, was sie unberechenbar und gefährlich macht. Ungeheuerlich.
Sie sind die Ersten die nach einer zweiten Kasse brüllen, erscheint ihnen die Warteschlange zu lang, was aufgrund ihrer nachlassenden Sehstärke meist spekulativ ist. Kaum wird sie dann aufgemacht, stürmen die grauen Alten nach vorne, ohne Rücksicht auf Verluste. Vielen Jungkunden bleibt nix anderes übrig als zur Seite zu springen, um am Leben zu bleiben. Unfreundlich und unwirsch, die lauthalsen Aufforderungen an das Supermarktpersonal, meist noch mit Senf dazu, serviert. Es tragen nicht alle Menschen Hörgeräte, das muss auch mal gesagt werden.
Das Personal im Supermarkt ist es halt nicht Wert, wertgeschätzt zu werden. Einzig mit den Wurstfachverkäuferinnen und Verkäufern an der Frischetheke scheinen sie im Bunde zu sein. Grobklotzig, bärbeissig und derb, die Ausdrucksweise der grauen Alten, manchmal kommt sogar etwas Unzufriedenheit zum Vorschein, was auf Traurigkeit und Einsamkeit schließen ließe. Harte Schale, weicher Kern, nicht so bei den grauen Alten, mit Nichten (ohne Neffen).
Die Eile, die Hast, da war ich instinktiv stehen geblieben… Sie ist mir zuwider. Das ist purer Stress, getrieben sein, vom Alltag, jenem Ungetüm. Jedenfalls setzen sich diese rüstigen Rentner anscheinend diesem krankmachendem Phänomen aus. Nur wieso? Haben sie nicht alle Zeit der Welt, oder läuft sie ihnen etwa davon? Vielleicht steckt auch mehr dahinter…
Einzig zum Studieren des Kassenbons halten sie Inne, ruhen einen Augenblick, machen angestrengte Gesichter und lassen sich Zeit. Zahlen über Zahlen, wer soll das bloß bezahlen? Addieren, Subtrahieren, Instruieren. Vormeckern ist auch eine Lösung: „Da stimmt doch was nicht, da auf dem Zettel! Das kann doch garnicht wahr sein. Das stand aber ein anderer Preis! Unerhört!“
Die grauen Alten haben sich womöglich organisiert. Ein Geheimbund oder sowas ähnliches, eine Parallelgesellschaft und niemand nimmt Notiz davon. Keiner von ihnen mag zu spät kommen, alles eilt zu den Treffen. Bloß nichts verpassen. Wäre ja schrecklich. Stichwort: After- Work- Party!
Wahrscheinlich tanzen diese grauen Alten den ganzen Tag auf den Tischen und haben Spaß (außer wenn sie einkaufen müssen), drehen sich gegenseitig Blümchen in die Silberlocken und wuscheln einander durchs schütte Haar. Schauen gemeinsam Filme, kochen, knutschen und lieben sich. Diese Zombies, einer muss sie aufhalten…
Zu Guter Letzt komme ich noch auf die sogenannte Grinser- Spezies zu sprechen, viele von ihnen gibt es nicht, die meisten sterben früh. Sie sind auch rüstige Rentner, jedoch sind sie anders, abnorm. So wie Dieter, das Klopsgesicht.
Eilig haben es die Grinser nie, aus dem Arsch, da scheint die Sonne. Sie grinsen den ganzen Tag hohl vor sich hin und sind scheinbar zufrieden mit sich selbst und dem Rest. Grinser reden einen auch freundlich von der Seite an (was ich persönlich garnicht mag) und lassen jeden in der Schlange, an der Kasse, vor.
Ganz offensichtlich wurde ihnen eine Gehirnwäsche verpasst, von den anderen grauen Alten, als Ablenkungsmannöver oder einfach nur aus Bosheit. Vielleicht soll kein Verdacht geschöpft werden, oder es können halt nicht alle rüstigen Rentner Previlegien genießen. Es gibt ja so viele von ihnen und Platz war schon immer ein Problem und wird es auch in Zukunft sein. Da wird dann unter den rüstigen Geschöpfen selektiert. Eiskalt. Bestimmt gibt es auch einen Oberrentner, einen Endboss sozusagen. Frag‘ mich ab welchem Level man den besiegen kann.
Werd das in Erfahrung bringen…