#3 Winter

Blödes Blogbuch,

ich habe Winterdepressionen, lustig HAHA! Bonnie & Clyde kleben an meiner Lippe. Sie schubsten und rangeln miteinander, brennen vor Energie. Ich selbst habe kaum welche. Es ist kalt, grau und Schneeregen fällt vom Himmel. Das ständige Zanken der beiden Unruhestifter ermüdet mich auf Dauer. Ermüdend der Winter.

Kein Bock mehr auf den Mist und es ist noch lange kein Ende in Sicht. Der Alltag sitzt mir im Nacken, will mich hinterrücks bespringen. Immer und immer wieder. Purer Stress, dieser im Dickicht lauernde Uhrensohn, der mich am Schopfe packt, durchrüttelt und die Scheiße aus mir herausprügelt, um mich letztlich in einem bemitleidenswerten Zustand liegen zu lassen. Zitternd, elendig zu Mute und voller Pein.

Alltag, jeder geht anders mit ihm um, die meisten müssen täglich improvisieren, sich durchboxen, die Arschbacken zusammenkneifen, um dann trotzdem irgendwann von ihm überrollt zu werden…

Im Zusammenspiel mit dem Winter, ein noch härteres Unterfangen.

Meine Augen wollen seit Wochen nicht so recht aufgehen, benebelt schau ich drein. Milchig, mit roten Fäden, welche sich über beide Augen lang ziehen, wie diese beschissene Jahreszeit. Trüb schaut alles aus, überblickt man das Szenario: Ein kleiner Pieps- Vogel rollt vorbei, Autos fliegen dahin und gefrorener Blättermatsch liegt platt über den Asphalt. Zigarettenstummel stummeln stumm herum. Zum Frühstück gab es Müsli. In Milch durchtränkte Haferflocken, die am Tellerrand festkleben.

Ich muss an meinen, inzwischen seit vielen Jahren toten, Säuferonkel denken. Scheinbar Zusammenhangslos baut mein Verstand Brücken, die nachzuvollziehen, sehr anstrengend sein kann. Die Zeit vergeht so schnell, ich war ein Kind, die Jahre gehen einher. Nie habe ich zurückgeblickt, Verdrängung als Selbstschutz. Das ist weit verbreitet in meiner Generation.

Über Haupt und Platte, überschaut die Matte: Überschaulich die Pracht, gräulich ganz sacht.

Säuferonkel, dickes Häufchen Elend, brachtest mir Schach bei, während du dich selbst zerstörtest. Dich letztlich selbst Matt gesetzt hast. Abends warst du voll und leer. Klebtest an der Flasche, wie die Haferflocken am Tellerrand. Stahlhart und so verletzlich. Konntest ein Arschloch sein, ein mieser Zeitgenosse. Der Keller war dein Reich, im Keller waren die Flaschen.

Habe bis heute keine Träne nach dir vergossen und doch warst du stets mein Lieblingsonkel. Mein Vater hatte weniger Liebe in sich.

Und so setze ich mich viele Jahre später auf den Pott (deinen Pott, Stahlarbeiter) und süßlich- krank riechender Scheißgeruch hängt in der Luft, bevor ich in die Wanne steige und den Dunst in mich aufnehme. Diese Mischung aus Scheiße und frischer Wanne, die zusammen rumhängt, im Badezimmer, bevor sie in Rohren verschwindet, um dort ihr Unwesen zu treiben. Säuferonkel, Scheißvater, ich kriege euch nicht aus der Nase…

So Verhält es sich manchmal, außerplanmäßig. Im Winter: Impressionen werden zu Depressionen. Verschmelzen. Melancholie fällt in Form von Schneeregen zu Boden und Bonnie & Clyde kabbeln weiter, an meiner Lippe klebend, miteinander. Dabei sollten diese nervigen Herpesbläschen mal schleunigst verschwinden. So wie der beschissene Winter auch!!!