Blödes Blogbuch,
seit über einem halben Jahr habe ich ein Geheimnis, das ich mit mir herum trage. Ich gehe mit ihm Gassi, wenn es unruhig wird, hege und pflege es. Ich hüte das Geheimnis wie meinen Pferdeapfel. Meinen Glückspferdeapfel, den ich immer abends mit in mein Bett nehme und mit dem ich sehr ausgiebig kuschele, wenn mir danach zumute ist. Kuscheltiere sind nämlich gruselig. Die Schmusedecke, die mir Miss Gabbat zum 30. Geburtstag geschenkt hat, wurde mir vor Jahren von einem Kind weggenommen, im Streit. Linus hieß es, glaub ich. Blödarsch.
Seitdem klammere ich mich an den Pferdeapfel (den mir niemand streitig macht). Alleine drücke ich mich fest an ihn, den Apfel, der einst aus einem mir unbekannten Pferdehintern entsprang. Flügge geworden ist und mir unverhofft zuflog.
Er ist getrocknet, wie meine Tränen, wenn ich abends mit ihm fertig bin. Dann komme ich mir so verschmust vor, wie ein kastrierter Kater.
Geheimnisse kann ich jedenfalls ganz schlecht für mich behalten. Ich habe dieses Geheimnis auch schon jedem unter die Nase gerieben, der es nicht hören wollte, während ich es hütete wie meinen Pferdeapfel (vor Unholden und anderem kopflosen Getier).
Selbst Miss Gabbat kann und will es nicht mehr erzählt bekommen: „Fresse jetzt, du Spast“, herrscht sie mich barsch an, wenn ich einmal mehr damit anfangen möchte, ihr die Geschehnisse von damals zu erläutern. Ihr Umgangston ist nicht der feinste, auch was sie sagt, ist diskriminierend, nicht hinnehmbar und wirklich unreif für ihr Alter. Aber ihr das vorzuwerfen wäre keine gute Idee. Miss Gabbat kann sehr furchteinflößend sein, zumindest wenn man ihr auf die Nüsse geht.
Auf den Nüssen anderer spazieren zu gehen, dafür habe ich ein Talent.
Mache das nicht einmal bewusst. Wandle nur dahin über Stock und Stein, Wiesen und Wälder und die Nüsse anderer eben.
Ich mag Unwetter, wenn es blitzt und kracht. Die Luft sich entlädt, der Wind wirbelt und der Regen prasselt. Schaurig schön diese Naturgewalten. Unholde und anderes kopfloses Getier kommen dann zum Vorschein, wüten herum inmitten des stürmischen Wetters und niemand bekommt es mit. Alles achtet nur gebannt auf die Blitze und den Donner. Der Regen macht derweil seinen Job und der Wind ist einfach nur nervig…
Mit dieser Einleitung habe ich bisher immer begonnen, wenn ich das Geheimnis ausgeplaudert habe, um unnötig Spannung zu erzeugen, wo keine ist. Nur dieses geheimnisvolle Geheimnis (was nie wirklich eines war).
Vor über einem halben Jahr ungefähr, würd ich sagen, so über den Daumen gepeilt, könnte jedenfalls stimmen, bin ich laufen gegangen, was ich ab und zu tue, um den Kopf frei zu kriegen (damit die kranken Gedanken auf Dauer weniger Schaden verursachen).
Land unter, während ich dahinkeuchte. Horst war auch dabei. Der Boden war angenehm weich und ich war nass bis auf die Knochen. Ich liebe es bei so einem Wetter unterwegs zu sein, gewollt unterwegs zu sein. Der Himmel über mir flackerte kurz auf und es knallte ohrenbetäubend, immer wieder, hintereinander weg. Wie ein Feuerwerk, nur ohne Feuerwerk. Geil war es, auch in Verbindung mit dem Laufen, richtig schön! Doch dann passierte es, ich zittere bei dem bloßen Gedanken daran am ganzen Leib:
Einen kurzen Augenblick nur verlangsamte ich das Tempo, um nicht ausversehen auf eine Schnecke zu treten, die Anstalten machte mich zu überholen. Dieses lästige Kriechtier konnte ich geschickt beiseite drängeln. Knallhart wurde ich dabei vom Donner getroffen. Dem Blitz konnte ich gerade so, geistesgegenwärtig, mit einer blitzschnellen Bewegung, ausweichen. Er traf die Schnecke, die ihr gewagtes Überholmanöver bedauerlicherweise mit dem Leben bezahlen musste. Der Donner allerdings traf mich volle Breitseite und ich flog zu Boden. Dabei habe ich mir einige schwerwiegende kleine Kratzerlein zugezogen, die immer noch scheußlich zwicken. Der Donner löste auch eine Art Metamorphose in mir aus. Ich verwandelte mich, nicht äußerlich, tief im Innern, veränderte ich mich. Direkt nach dem Treffer.
Seitdem habe ich gewaltige Blähungen. Wirklich gewaltig, donnernd, monumental. Kann die Blähungen gar nicht geheim halten, so sehr muss ich die ganze Zeit furzen. Der Gestank eilt mir viele Schritte voraus.
Miss Gabbat meint, es komme von den drei rohen Zwiebeln (eine völlig unterschätzte Heilpflanze im Übrigen), die ich seit ungefähr einem halben Jahr täglich zu mir nehme. Etwas sehr weit hergeholt, wie ich finde. Mit Miss Gabbat ist im Moment eh nicht gut Kirschen essen (sollte ihr mal eine Zwiebel anbieten) und das nur, weil ich nicht auf die Yogamatte umziehe, sondern mit ihr den Schlafsack teilen will. Unseren Schlafsack, wie ich vermute. Miss Gabbat hat da ihre eigenen Gesetze. Keine Chance, auch wenn ich mich reinschleiche, merkt sie es nach kurzer Zeit:
„Verpiss dich, du Spast! Du stinkst!“ Einmal, als sie gut gelaunt war, konnte sie richtig liebevoll zu mir sein, indem sie mich Captain Donnerfurz, den knatternden Super- Spasten nannte. Richtig kreativ, wie ich finde.
Ich bin ein geheimer Außenseiter. Agent Außenseiter, sozusagen. Diese kranke Gesellschaft kotet mir offen ins Gesicht, während ich, furzender Weise, schwer am Rudern bin. Da muss ich gegen halten, sonst bin ich verloren, wie so viele andere.
Das ist mein Geheimnis, aber ich mache keines daraus. Vielleicht will ich gar nicht dazugehören, auch wenn es manchmal den Anschein haben mag. Scheinbar bin ich ein ganz unscheinbarer Typ, lebe ein normales langweiliges Leben und bin fester Bestandteil der Gesellschaft. In Wirklichkeit agiere ich aus dem Untergrund. Bin ein Schnüffler, ein Lauscher, ein Saboteur. Assimiliere zum Schein um infiltrieren zu können. Der Sache wegen! Welcher Sache auch immer, das spielt keine Rolle!
Komme mir dabei nicht vor wie ein, das Weltall rettender, Superhelden- Mutant (auch wenn ich seit dem Vorfall abnorme Darmtätigkeiten aufweise). Eher wie ein mutierter Außenseiter ohne Superhelden- Status, der nicht so recht mit dem Druck und den Gepflogenheiten in dieser verrückten Welt klarzukommen scheint. Dieser Welt voller abnormer Vorkommnisse und verrückter Vollidioten, die sich einem immer wieder in den Weg stellen und Stress produzieren, wo keiner ist. Es gibt so viele Vollidioten, tragisch, wie ich finde. Habe das Gefühl, es werden immer mehr.
Flatulenzen werden nicht geduldet, auf den Nüssen anderer soll man nicht gehen und mit Pferdeäpfeln wird nicht geschmust (das verstehe wer will). Geheimnisse verrät man nicht jedem, sonst sind es ja keine Geheimnisse und es gibt keine Vollidioten, nur Außenseiter, die sich nicht anpassen wollen und darum mutwillig zu furzenden Außenseiter- Agenten mutieren.
So ein Schwachsinn. Wer denkt sich so einen Müll nur aus? Reiner Außenseiter hat noch nie irgendwelche „Richtlinien“ der Gesellschaft befolgt, die irgendwelche dahergelaufenen Miss Gabbat’ s festlegen. Nichts gegen Miss Gabbat im Übrigen, eine liebenswerte Person. Würde gerne den Schlafsack mit ihr teilen und nicht auf die Yogamatte ausweichen müssen…
Aber ich wäre ansonsten auch nicht Reiner Außenseiter (und voll integriert in der Gesellschaft). EndePunktTopSecretAusrufezeichen